Test-Bericht: Radtour auf dem unteren Havelradweg

September 2020

Radfahren liegt im Trend. Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass heimische Ziele noch mehr nachgefragt werden. Hinzu kommt der Boom der Elektro-Räder, der viele Menschen Radfahren lässt, die zuvor Strapazen gemieden haben. Wir haben für euch den unterenTeil des Havel-Radweges getestet. Denn die Tour befindet sich mitten in Deutschland, ist bestens zu erreichen und führt durch eine Region, die es noch zu entdecken gilt. Hier folgt unser „Ferien am Wasser“-Test-Bericht:

Der Fluss – die Havel

Die Havel ist ein besonderer Fluss. Denn sie fließt erst nach Süden und dann, einem großen „U“ gleich, wieder nach Norden. Das führt dazu, dass Quelle und Mündung des Flusses nur 94 Kilometer voneinander entfernt liegen, obwohl die Havel 334 Kilometer lang ist. Die Havel entspringt in Mecklenburg-Vorpommern, fließt dann durch Brandenburg und ein kleines Stückchen Berlin. Die untere Havel schlängelt sich an vielen Stellen entlang der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Schließlich mündet sie bei Gnevsdorf in die Elbe.

Die untere Havel wird seit vielen Jahren naturiert. Da der Fluss lange Zeit der Schifffahrt diente, wurde sie einst teilweise begradigt und an den Ufern befestigt. Nun bilden wieder Altarme Teile des Gewässers, Uferzonen haben einen natürlichen Bewuchs und an vielen Stellen befinden sich sogar Sandstrände, an denen gebadet werden kann. Den beruflichen Schiffsverkehr gibt es auf der Havel kaum noch. Darum bietet sich der Fluss hervorragend für Touren mit dem Kanu oder Hausboot an. Viele Stellen werden auch noch professionell befischt.

Der Weg – Radfahren mit Wasserblick

Unsere Tour startet in Rathenow. Die Stadt in Brandenburg befindet sich direkt an der Havel und ist mit der Bahn sehr gut zu erreichen. Eine Anreise von Berlin etwa dauert keine Stunde. Auch aus Richtung Hannover ist die Stadt über Stendal angeschlossen. Der Radweg entlang der Havel ist mit einem blauen Schild gekennzeichnet, auf dem eine Welle, ein Fahrrad sowie das Wort Havel-Radweg zu finden sind. Die Tour verläuft linksseitig des Flusses und ist etwa 65 Kilometer lang. Natürlich ist sie an einem Tag abzuradeln. Allerdings empfehlen sich ein Wochenendausflug sowie eine kleine Erweiterung der Strecke auf dem Elberadweg bis Wittenberge an der Elbe, da von dort Züge Richtung Berlin, Stendal und Hamburg verkehren. Tipp: Mindestens zwei Tage einplanen!

Von Rathenow aus führt die Tour erst entlang der Straße nach Steckelsdorf (dort unbedingt ein Eis essen) und dann weiter auf einem stets geteerten Weg. Da in der Region 2015 die Bundesgartenschau stattfand, sind alle Wege neu gemacht und befinden sich in einem hervorragenden Zustand. Durch Wald und Wiese fahren wir durch kleine Dörfer. An vielen Stellen, wie etwa in Göttlin, gibt es wunderbare Naturrastplätze direkt an der Havel mit Badestellen. Es geht weiter bis nach Schollene und Garz. Hier empfiehlt sich die erste Übernachtung. Aufgrund der Überschwemmungen der Flut 2013 im Elb-Havel-Winkel sind auch in diesem Abschnitt alle Radwege neu angelegt. Am zweiten Tag geht es über Kuhlhausen in die Hansestadt Havelberg, weiter bis zur Mündung und dann an der Elbe entlang bis nach Wittenberge.

In „11 Tipps entlang der unteren Havel“ beschreiben wir unsere ausgewählten Höhepunkte entlang der Strecke.

Die Sehenswürdigkeiten – Natur und Kultur entdecken

Der Havelradweg durchquert eine wunderschöne Naturlandschaft, in der sich etwa zum Vogelzug Kraniche beobachten lassen. Dazu steht etwa kurz vor Havelberg, ein leider kaum ausgeschilderter Beobachtungsturm. Er bietet einen einmaligen Blick über die Hafelwiesen bis hin zum Havelberger Dom. Wer Zeit hat, sollte die Altstadtinsel von Havelberg unbedingt auf dem Wasser umrunden. Kanus sowie motorisierte Boote können im Yachthafen der Stadt angemietet werden.

Der Fahrradweg befindet sich auch kulturell in einer spannenden Region Deutschlands – der Mark Brandenburg und damit der Wiege Preußens. Kultureller Zeuge ist die Hansestadt Havelberg, mit ihrem Dom und den alten Stadtkirchen. Erhalten sind auch Häuser der Domkurie, die etwa 300 Jahre alt sind: Empfehlenswert ist der Besuch der sogenannten D8, eine der Domkurien. Ein Verein hat das Gebäude vor dem Abriss bewahrt, es saniert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein wunderschöner historisch angelegter Garten mit Kaffee und Kuchen, echten Eseln und einem Pavillon lädt die Besucher ein.

Aber auch in den kleineren Orten entlang der Havel gibt es sehr viel zu entdecken. In Kuhlhausen fährt der Radler, fast wie aus dem Nichts, an einer klassizistischen Kirche vorbei, die nach dem Vorbild von Schinkel errichtet worden ist. In Garz steht sogar eine achteckige Kirche direkt an der Havel. Beide Gotteshäuser stehen den Besuchern ohne Ankündigung offen. Und wer es heimatlich mag, kann sich für eine Führung im Heimatmuseum Schollene anmelden. Dort haben Dorfbewohner Dinge aus dem Leben der vergangenen 100 Jahre zusammengetragen.

Die Verpflegung – Regional essen

Essen und Trinken entlang von Radwegen sind fast immer ein Problem. Es kann nie genug Einkehrmöglichkeiten geben und oftmals fehlen wirklich welche. Die gute Nachricht: Radler am unteren Teil des Havelradweges müssen nicht verhungern oder verdursten. Sie sollten aber auch immer dann einen Stopp einlegen, wenn eine Verpflegungsmöglichkeit am Wegesrand ist. Aber der Reihe nach: In Rathenow ist die Auswahl ausreichend, in Steckelsdorf gibt es die weltbeste Eisdiele und in Schollene hat die Familie Kleinod eine neue Brauerei aufgebaut, in der es nicht nur Bier aus der Mikrobrauerei, sondern auch zünftiges Essen gibt. Beides unbedingt probieren!

Ohne Stopp sollten Radler auch nicht durch das Dörfchen Warnau fahren. Der Fischer tischt in seiner Fischerstube den frischen Fang auf. Sehr lecker. Und ein Dorf weiter, in Garz, versteckt sich ein kleines Kaffee an einer Ecke. In Havelberg ist außer montags (meist Ruhetag) die Verpflegung kein Problem. Tipp ist, wie oben erwähnt, der Garten der D8 mit seinen selbstgemachten Kuchen. Und wer es bis Wittenberge schafft, sollte direkt an der Elbe in der Alten Öhlmühle einkehren. Leider haben in den vergangenen Jahren entlang des Havelradweges, vor allem aufgrund Personal- bzw. Nachwuchsmangels, einige Dorf-Gasthöfe schließen müssen. Hoffentlich hält der Trend nicht weiter an.

Die Unterkünfte – Besonders übernachten

Wir empfehlen für die Tour, mindestens eine Übernachtung einzuplanen. Für alle Schlafgelegenheiten gilt es, sowohl in der Saison als auch in der Nebensaison, vorher zu reservieren. Fast mittig der Strecke befinden sich die Havelhöfe in Garz. Ein Architekt aus Berlin hat die beiden typischen Vierseitenhöfe vor dem Verfall gerettet. Wo einst Kühe oder Schweine lebten, sind moderne Unterkünfte entstanden. Das Ambiente erinnert noch immer an die Hofanlagen. Es gibt Frühstück und von Ferienwohnungen, über Gästezimmer bis hin zur Radlerpension ist für alle Ansprüche und Geldbörsen etwas vorhanden.

Die Hansestadt Havelberg ist mit zahlreichen privaten Unterkünften sowie Hotels auf Touristen eingestellt. Unser Tipp ist jedoch das Sonnenhaus auf der Altstadtinsel. Familie Hallmann hat ein fast 300 Jahre altes Gebäude in den vergangenen Jahren saniert und führt es im Sinne der französischen Chambre d’hotes. Das sind, kurz gesagt, Privatunterkünfte mit Familienanschluss. Die vier Zimmer sind stilistisch und architektonisch ein Erlebnis. Der Ausblick Richtung Kirche, die Gastgeberfamilie, das regionale Frühstück, die Regendusche und das breite Bett: Da muss man hin.

Radweg untere Havel auf einen Blick

  • Start-Ziel: Rathenow bis Wittenberge
  • Anreise: per Bahn nach Rathenow
  • Abreise: per Bahn von Wittenberge
  • Strecke: rund 65 km an zwei Tagen
  • Kennzeichnung: „Havel Radweg“ auf blauem Grund
  • Höhenprofil: eben mit leichten Hügeln
  • Fahruntergrund: Bitumen und Beton
  • Anschlusswege: Elberadweg ab Havelberg oder Wittenberge
  • Besonders sehenswert: Altstadtinsel Havelberg
  • Verbesserungswürdig: Ausschilderung von Höhepunkten
  • „Ferien am Wasser“-Test-Note: fünf von fünf Sternen

Wir wurden zu dieser Reise von der Hansestadt Havelberg, der Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land und der Lokalen Aktionsgruppe „Elb-Havel-Winkel“ eingeladen. Sehr vielen Dank!

Text und Fotos: Björn Menzel

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