Hausboote und schwimmende Häuser – eine architektonische Herausforderung

Juni 2020

Wohnen auf dem Wasser gewinnt immer mehr Liebhaber und ist eine Form des Wohnens, die bislang in Deutschland eher unbekannt war. Zunächst wird hiermit das Ferienwohnen, das Wochenenddomizil oder ein Zweitwohnsitz angesprochen. Heiner Haass ist Präsident des Sachverständigenverbandes Internationale Bootsexperten e.V. und hat mit seinen Kollegen erstmals eine DIN Norm initiiert, die nun festlegt was schwimmende Häuser sind und wie diese konstruiert, gebaut und genehmigt werden.

Dabei müssen zunächst die fahrenden Hausboote mit Motor, Steuerruder und Navigationsausrüstung von den festliegenden schwimmenden Häusern unterschieden werden, die nicht fahren können und ortsfest liegen. Das Eine sind also Fahrzeuge und Boote und das Andere Häuser und Gebäude. Interessant dabei ist zu beobachten, wie beide Gruppen gestaltet und designt werden. Haass hat dazu eine Forschungsstudie an der Hochschule Anhalt durchgeführt, in der er Hausboote und schwimmende Häuser auf ihre Architekturgestaltung und -merkmale untersucht hat.

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Nun sollte man vermuten, dass Boote wie Fahrzeuge gestaltet werden und Häuser wie Gebäude entworfen werden. Doch die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es hier genau umgekehrt und kurios ist. Die analysierten Hausboote, die auch rechtlich als Sportboote und damit als Fahrzeuge klassifiziert sind, weisen nur einen äusserst sparsamen Umgang mit Designelementen aus dem Fahrzeug- und Yachtdesign auf. Anders sieht es bei den ortsfest liegenden schwimmenden Häusern auf, die ganz eindeutige Designelemente aus dem Yachtdesign zeigen.

Häuser mit dynamische Linien

Ein Kriterium im Fahrzeug- und Yachtdesign sind sog. Dynamiklinien, die in Form des Verlaufs von Strömungslinien des Windkanals verlaufen und damit eine starke visuelle Vorwärtsbewegung symbolisieren. Diese Dynamiklinien sind durchweg an schwimmenden Häusern zu finden, obwohl diese gar nicht fahren. Demgegenüber vermisst man doch eine gewisse Dynamik bei den Hausbooten. Nun fahren diese zwar nicht sehr schnell, aber eine sichtbar erkennbar Dynamik wäre hier passender als bei den Häusern.

Aus den o.g. Dynamiklinien ergeben sich auch eindeutige Bug- und Heckformen, die für Hausboote wünschenswert sind. Leider sind diese Ableitungen aus den Dynamiklinien nur sehr selten vorzufinden, was dazu führt, dass es visuell äusserst schwer wird, bei einigen Hausbooten Bug und Heck zu erkennen.

Die meisten schwimmenden Häuser weisen sehr starke Dynamiklinien auf, so dass man annehmen möchte sie fahren oder fliegen sogar gleich von ihrem Liegeplatz. Dieses schafft beim Betrachter Verwirrung und er gerät in Zweifel, ob es sich hier tatsächlich um ein Haus oder nicht doch um ein Hausboot handelt. So haben die meisten schwimmenden Häuser keine klar gegliederten Fassaden mit Fensteröffnungen wie ein Haus, sondern sehr dynamische und gestreckte Fensteröffnungen, die eine eindeutige Vorwärtsbewegung symbolisieren.

Maritime Farben und Materialien

Auch bei den gewählten Materialien und Farben ist die Verwirrung vollständig. Während Hausboote Fassadenmaterialien und -farben wir moderne Häuser besitzen, werden bei schwimmenden Häusern Oberflächen und Farben aus dem Yachtdesign verwendet.

Warum ist das so? Die Gründe hierfür sind vielfältig. Erstens haben Architekten das schwimmende Haus noch nicht als ihre Entwurfsaufgaben erkannt und überlassen diese Aufgaben noch anderen. Zweitens würde sich nach landläufiger Ansicht ein sauber entworfenes Haus auf dem Wasser als schwimmendes Haus nur schlecht verkaufen, da es das Image einer Baracke hat. Also muss es etwas spektakulärer designt werden, eben wir eine Yacht. Der dritte Grund ist das aktuelle Interesse an maritim gestalteten Bauwerken, auch schwimmenden Häusern. Hier müssen also nun Designelemente aus dem Yachtbau herangezogen werden, wie etwa dynamische Fenster, Reling, Schiffsdecks, Bullaugenfenster etc. Auch bei der Material- und Farbwahl kommt das Yachtdesign zum Zug, mit Teakholz, Chrom/Messing und Weiß und/oder Marineblau.

Dabei spielt Schiffsarchitektur für Häuser immer schon eine große Rolle. So haben die meisten großen Architekten immer wieder Bezüge zu Schiffsentwürfen hergestellt und Erfahrungen und Konstruktionen aus dem Schiffsbau gern auf Häuser übertragen. Und ganz aktuell sind Architekturelemente aus dem Yacht- und Superyachtdesign auch im Wohnungsbau sehr beliebt. So werden in Wohngebäuden gerne Terrassen als Holzdecks mit einer Reling gebaut, eine gerade Stahltreppe als Gangway ausgebildet oder einfach nur Farben wie Weiss und Marineblau in Verbindung mit Messing und Edelstahl verwendet.

Chance für innovative Architektur

Die Zeit für eine neue und innovative maritime Architektur ist also ideal und gerade bei dem neuen Bautypus schwimmende Häuser kann sich eine interessante und auf die neue Bauaufgabe bezogene Architektursprache entwickeln.

Als sehr gutes Beispiel für eine angemessene und klare Architektur eines schwimmenden Hauses kann der unter Denkmalschutz stehende letzte Lieger Cäsar im Hamburger Hafen genannt werden, der 1902 als schwimmende Werkstatthalle errichtet wurde. Das klar gegliederte Haus auf einem Ponton zeigt, wie klar es als Haus erkannt wird und nicht mit einem Fahrzeug verwechselt werden kann. Viele dieser Lieger im Hamburger Hafen wurden nach dem Krieg zu Wohnzwecken genutzt, wodurch die Funktion des schwimmenden Hauses noch unterstrichen wurde.

Insgesamt eröffnet sich hier nicht nur ein neues Segment im Wohnungsmarkt, das auch für viele Kommunen am Wasser planungs- und baurechtlich eine interessante neue Aufgabe wird, die nun mit Erscheinen der DIN SPEC 80003 erstmals normativ geregelt ist, sondern auch für Unternehmen und Architekten wird das Bauen auf dem Wasser eine spannende Herausforderung mit vielen neuen Aspekten.

Text: Heiner Haass, Professor und Architekt BDA

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