Ferienhaus im Spreewald bekommt neues Reetdach
April 2018
Mit einer Art abgebrochenen Spaten klopft Daniel Girke immer wieder auf das Dach. Solange, bis es endlich die richtige Form hat. Girke ist allerdings kein Gärtner, sondern Reetdachdecker im Spreewald. Gerade bekommt das Ferienhaus „An der Giglitza“ im kleinen Spreewalddörfchen Lehde bei Lübbenau ein neues Dach. Die Eindeckung erfolgt auf traditionelle Art mit Schilf, oder auch Reet genannt. Das Handwerk, was Girke und seine Mitarbeiter beherrschen, ist traditionell und ein ganz besonderes.
Reetdächer gibt es bereits seit Jahrhunderten. Vor allem im Norden von Deutschland, auf den Inseln am Meer, entlang der Küsten von Nordsee und Ostsee, sind Eindeckungen mit Reet weit verbreitet. Aber auch in anderen Regionen in denen es viel Wasser gibt, wie etwa im Spreewald südöstlich von Berlin, stehen nach wie vor zahlreiche Häuser, die mit Schilf vor Wind und Wetter geschützt werden.
Transport über das Wasser
In den vergangenen Jahren nahm die Anzahl der Reetdächer sogar wieder etwas zu. Vor allem der Trend zum naturnahen und ökologischen Bauen verhilft dem Reet zu einer Renaissance. Das Schilf gibt dem Gebäude zu jeder Jahreszeit ein angenehmes Raumklima. Und auch optisch macht eine Reeteindeckung etwas her. Das wissen vor allem Gäste und Vermieter von Ferienhäusern zu schätzen. Denn mittlerweile ist der Urlaub in einem reetgedeckten Haus sehr gefragt.
Damit auch das Ferienhaus im Spreewald seine typische Optik behält, wird es wieder neu mit Schilf eingedeckt. Das ist gar nicht so einfach. Das alte Dach war bereits 50 Jahre alt. Reetdachdecker, wie Daniel Girke einer ist, gibt es im Spreewald nur noch sehr wenige. Hinzu kommt: Das Ferienhaus steht auf einer Insel, umgeben von Wasser, wie der Spree und zahlreiche Fließe. Alle Materialen müssen über das Wasser mit einem Kahn an- und abtransportiert werden.
„Das ist auch für uns eine besondere Baustelle“, sagt Girke als das Boot mit seinem Werkzeug und dem Baugerüst belädt. Im Hafen starten morgens die Touren über das Wasser mit dem frischen Reet, das übrigens aus Ungarn stammt. Die Halme sind zu leichten Bündeln zusammengefasst. 100 dieser Bündel ergeben einen großen Ballen, der mehr als eine halbe Tonne wiegt. Für die Neueindeckung benötigen die Dachdecker etwa 650 Bündel Material, dazu Holzlatten, Holzplatten für den Unterbau und neue Balken.
Urlaub im Ferienhaus mit Reetdach
Nachdem das alte Reet vom Dach abgenommen ist, kann die neue Eindeckung beginnen. Damit das Schilf später gut umlüftet werden kann, befestigen die Dachdecker einmal quer und einmal längst Holzatten auf dem Dach. Darauf beginnen sie von unten die Reetbündel zu legen. Diese Bündel werden mit Draht und Schrauben an den Dachlatten fixiert und dann kommt das Gerät zum Einsatz, das wie ein kleiner Spaten aussieht. Damit klopfen die Dachdecker die Halme in ihre richtige Position. Lieen sie, wird das Draht mit einem Rödler richtig fest gezogen und die nächste Lage kann aufgebracht werden.
„Für einen Quadratmeter Dach benötigen wir etwa eine Stunde Arbeitszeit“, sagt Girke. Die Traufe, der Dachfirst und die Seitenabschlüsse des Daches sind komplizierter und dauern länger. Besonders das Decken der Fenstergaube mit ihren Ecken und Rundungen verlangt sehr viel handwerkliches Geschick. Dabei stehen die Dachdecker auf einem sogenannten Stuhl, das ist eine kleine Trittleiter, die im Reet verankert werden kann und den Arbeitern einen sicheren Stand auf dem 50 Grad steilen Dach bietet.
Nach etwa zwei Wochen ist das neue Reetdach fertig und das Ferienhaus hat ein neues Dach. Die Arbeit hat sich gelohnt. Und die nächsten Gäste warten schon auf ihren Urlaub im reetgedeckten Haus im Spreewald. Übrigens: Auch in Mecklenburg können reetgedeckte Ferienhäuser gemietet werden. Zum Beispiel das Bootshaus „Am Teterower See“, wunderschön gelegen im Norden der Mecklenburgischen Seenplatte.
Text: Björn Menzel